Geschichte des Bildungszentrums

Der Hospitalhof: Zentrum für Bildung, Kultur und Spiritualität

Wer vom neuen „Großen Saal“ des Hospitalhofs in den Innenhof und auf die Hospitalkirche mit der Südmauer des historischen Kirchenschiffs blickt, spürt die historische Bedeutung dieses Ortes: Spätgotik, 1473 begonnen, zwanzig Jahre später vollendet. Die Mauer des ehemaligen Kirchenschiffs erinnert an das ehemalige Stuttgarter Dominikanerkloster mit dem Auftrag, Bildung und Spiritualität in Stadt und Land zu bringen. Die Klosterkirche war von Aberlin Jörg erbaut, einem der großen Baumeister Württembergs. Schon immer waren die Dominikaner für Ihre Predigt geschätzt und als Impulsgeber nicht nur für geistliche, sondern auch weltliche Bildung bekannt. Diese Tradition setzte sich in den Namen fort, die mit der Kirche künftig verbunden waren: Der Humanist Johannes Reuchlin (1455-1522), der Kirchen- und Schulreformer Johann Valentin Andreä (1586-1654), der spätere Prälat und berühmte Prediger Karl Gerok (1815-1890), um nur einige zu nennen. Zur Geschichte des Hauses gehört auch die Zeit, ein Ort menschlicher Hilfe gewesen zu sein: Das städtische Hospital war dort untergebracht. Der Hospitalhof hat Geschichte, helle und auch dunkle Seiten. Deshalb erinnert auch am neuen Hospitalhof eine Gedenktafel an die alte „Büchsenschmiere“, das ehemalige Polizeigefängnis.

Seit gut dreißig Jahren ist der Hospitalhof nun das Bildungszentrum der Evangelischen Kirche in Stuttgart, fest etabliert in der Stuttgarter Kultur und von großem Gewicht in der Bildungslandschaft auch über die Kirchen hinaus. Das ist der Aufbauarbeit von Prälat i.R. Martin Klumpp und der Ausbauarbeit von Pfarrer Helmut A. Müller zu danken.

Martin Klumpp begründete 1979 die Bildungsarbeit am Hospitalhof: „Ein halbes Jahr lang machte ich Feldbegehung in Stuttgart, um herauszufinden, was an Erwachsenenbildung möglich wäre. Dann sieben Jahre lang Aufbau der Bildungsarbeit, am Ende mit vielen berühmten Referenten, bei denen das Haus proppenvoll war. Danach blieb ich dem Hospitalhof immer verbunden, mit vielen Gruppenangeboten z.B. für Trauernde oder für Angehörige psychisch Kranker.“ Er beschreibt die unterschiedlichen Aspekte der Bildungsarbeit am Hospitalhof als Glaubensbildung, Wissensinformation, Diskurs und Dialog als Bildungsziel, Entwicklung der Persönlichkeit, Dem Nächsten nahe sein als Lernziel, sowie: In Krisen Wege finden. Der Hospitalhof wurde zum Ort sozialen Lernens, von dem aus wesentliche Impulse für konkrete Projekte gingen, u.a. für die Vesperkirche und das Hospiz.

Unter der Leitung von Helmut A. Müller seit 1987 entwickelte sich der Hospitalhof weiter: Der offene Bildungsbegriff ermöglichte es, “alles, was unter Gottes Himmel ist“, zum Gegenstand der Bildung werden zu lassen. Diese Offenheit nimmt den Geist evangelischer Freiheit auf und, so Müller, „kommt mit allem und jedem ins Gespräch“. Die wachsende Zahl der Veranstaltungen und Teilnehmenden legt ein eindrucksvolles Zeugnis von der zunehmenden Bedeutung des Hospitalhofs ab. Dazu hin hat der von Müller entfaltete Schwerpunkt „Kunst der Gegenwart am Hospitalhof“ diesen weit über die Grenzen Stuttgarts hinaus bekannt gemacht.

Der neue Hospitalhof greift die inhaltliche und architektonische Verbindung von Kirche und Hospitalhof, ergänzt um das Verwaltungsgebäude wie einst in den Klöstern das Wirtschaftsgebäude, wieder auf. Mit diesem klösterlichen Grundriss des Gesamtgebäudes, den die Architekten Lederer, Ragnirsdottir und Oei leicht versetzt in die Fläche des Areals gedreht haben, ist ein Ort neu definiert, der im besten Sinne „aus dem Rahmen fällt“. Er steht dafür, dass Menschen hier nicht nur ihren intellektuellen Horizont erweitern, sondern auch Rückzugsmöglichkeiten und Erneuerung, geistliche Impulse und Spiritualität finden.